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Der Reiche Wirt Aus Betlehem

Der reiche Wirt aus Betlehem

„Los jetzt, das muss heute noch fertig werden!“ Mit diesen barschen Worten trieb Urija seinen Knecht Mati zu noch größerer Eile an. Es war noch einiges zu tun, bis alle Gäste versorgt waren und auch er und seine Bediensteten sich endlich von diesem langen Tag ausruhen konnten. Aber jetzt war die Zeit! Als er vor 6 Monaten als einer der Ersten davon hörte, dass Kaiser Augustus eine Volkszählung angeordnet hatte, wusste er sofort, dass dies eine einmalige Gelegenheit war. Noch bevor die Nachricht überall bekannt wurde, hatte er schon den Nachbarn rechts und links neben seinem Wirtshaus die Häuser abgekauft…natürlich zu einem äußerst guten Preis, wie er sich jetzt, in sich hinein lächelnd, erinnerte. Dann kamen anstrengende Monate der Vorbereitungen, neue Knechte und Mägde wurden eingestellt und in den kleinsten und schmuddeligsten Zimmern untergebracht. Alle anderen Möglichkeiten, Gäste unterzubringen, wurden auf´s Äußerste ausgenutzt, Wände eingezogen und Betten zusammengenagelt. Denn Betlehem war die Geburtsstadt Davids und dessen gesamte Sippe hatte sich laut der Anordnungen der Römer genau hier registrieren zu lassen.

Eigentlich war Urija kein Freund der Römer, hatten sie doch zu den Steuern, die an den Tempel abzuführen waren, noch einige weitere hinzugefügt. Aber er hatte sich mittlerweile ganz gut mit ihnen arrangiert, was auch einer der Gründe war, dass er als einer der Ersten von dieser Volkszählung erfahren hatte. Mitten in seinen Gedanken wurde er unterbrochen, denn schon wieder klopften Fremde an die Tür und fragten nach einem Zimmer für die Nacht. Ein paar Zimmer hatte er noch, ziemlich klein und kaum als Unterkunft zu gebrauchen, aber immerhin. Trotzdem er seine Preise verdreifacht hatte, willigten die Fremden immer ein. Naja, eine andere Wahl blieb ihnen ja auch nicht, wollten sie nicht auf der Strasse übernachten. Der fremde Mann wurde kreidebleich, als er den Preis hörte und redete dann kurz mit seiner Frau, die nach seinen Worten auch ganz erschrocken und traurig aussah. Niedergeschlagen nickte sie ihrem Mann zu, der daraufhin Urija das geforderte Geld aushändigte. Urija konnte sehen, dass der Geldbeutel des Mannes danach fast leer war, was ihm fast ein bißchen leid tat, doch gleich danach dachte er an seine eigene, prall gefüllte Kasse und schnell wurde sein Herz wieder froh.

Laut rief Urija nach Mati, dem er in seinem gewohnten, barschen Ton kurze Anweisungen gab, in welches Zimmer er die Neuankömmlinge einquartieren sollte. Mati sah die Leute an und wusste schon jetzt, dass diese verärgert sein würden, sobald er ihnen ihre Unterkunft gezeigt hätte. Erst gestern hatte ein Mann vor lauter Ärger einen leeren Wasserkrug nach ihm geworfen, weil das Zimmer, in das er ihn gebracht hatte, noch nach Viehstall roch. Mati wunderte dies nicht, es war ja gerade erst einmal zwei Tage her, dass sie die Ochsen in einen anderen Stall am Rande der Stadt gebracht hatten, um auch aus dem Stall noch belegbare Zimmer zu machen. Meine Güte, dachte er bei sich, wäre ich doch niemals in diese Stadt gekommen. Da war doch das Schafe hüten in den Bergen meiner Heimat weitaus angenehmer. Als er so in Gedanken versunken die Fremden zu ihrem Zimmer brachte, begegnete im Rahel, eine der Mägde Urijas. Sie schaute nur kurz zu den Fremden und dann zu Mati. An ihren Augen konnte er sehen, dass sie das Gleiche dachte, wie er. Dann waren sie auch schon bei dem Zimmer, das dieses Mal direkt unter dem Dach und auch noch das kleinste des ganzen Hauses war. Der Mann schaute ungläubig in das Zimmer und dann hinüber zu Mati, der sich aber schon auf den Rückweg gemacht hatte. Sollten sie ihren Ärger doch dieses Mal bei Urija abladen.

Dieser hatte den Fremden noch kurze Zeit nachgeschaut, wie sie mit seinem Knecht die Stiege zu den Dachkammern hochgingen, als es erneut an der Türe klopfte. Voller Vorfreude auf ein erneutes Geschäft öffnete Urija die Tür. Doch dort sah er nur einen jungen Mann in abgerissenen Kleidern, der einen Esel führte, auf dem eine augenscheinlich hochschwangere junge Frau saß. Schon auf den ersten Blick sah Urija, dass diese Beiden seine Preise nicht würden bezahlen können. Unfreundlich fragte er sie, was sie denn wünschten.

Der junge Mann wies auf seine hochschwangere Frau und meinte nur, dass sie wohl in Kürze niederkommen würde und dafür ein Lager bräuchten. Urija brauchte nicht lange, um die Lage zu überblicken. Wenn er die Beiden annehmen würde, dann würde das bedeuten, dass er sein letztes Zimmer weit unter Preis vergeben müsste. Davon abgesehen bedeutete so eine Geburt eine Menge zusätzlicher Arbeit und Scherereien. Die Entscheidung war schnell gefällt. „Nein, wir sind vollkommen ausgebucht, für euch haben wir keinen Platz mehr!“, so lautete die Antwort Urijas an das junge Paar. Auf die Frage, ob er, Urija, denn sonst eine Idee hätte, wohin sie gehen könnten, antwortete er nur, sie könnten es ja eher am Stadtrand versuchen, dort, wo die Gerber und Viehhirten wohnten. Traurig wandte sich der junge Mann ab und führte seinen Esel mitsamt der jungen Frau langsam die dunkle Strasse zurück zum Stadtrand.

Die nächsten Tage verliefen alle irgendwie gleich, dauernd kamen Fremde und suchten Unterkunft und im Wirtshaus war ein beständiges Kommen und Gehen. Wenn Urija einmal einen Moment Zeit hatte, malte er sich aus, was er mit dem eingenommenen Geld alles machen würde. Er plante schon, wie er das Wirtshaus vergrößern und zum ersten Haus am Platz machen würde, wodurch er seinen Reichtum noch einmal beträchtlich vermehren könnte.

Eines Morgens, als er so tief in seinen Gedanken versunken war, kamen Mati und Rahel zur Tür herein. Es wunderte ihn, dass sie wohl im Morgengrauen schon unterwegs gewesen waren, aber noch mehr wunderte ihn, dass die Beiden so fröhlich aussahen. Fast befürchtete er, dass sie betrunken wären, aber ihr freundliches „Guten Morgen Urija!“ widerlegte diese Befürchtung. Noch längere Zeit, nachdem die Beiden in ihre Kammern gegangen waren, saß Urija sinnierend da und dachte über diese ungewöhnliche Begegnung nach. So hatte er sie noch nie erlebt.

An diesem Tag musste etwas Besonderes in Betlehem geschehen sein, denn immer mehr Menschen, denen er begegnete, kamen ihm freudestrahlend entgegen und lachten und scherzten miteinander. Da Urija aber auf die Gesellschaft von Hirten, Gerbern und anderen Habenichtsen keinen Wert legte, erfuhr er mehrere Tage lang nicht, was eigentlich passiert war.

Ein paar Tage später wurde die Ankunft einer Karawane mit hohen Herren aus einem fremden Land angekündigt. Urija hatte schon früh von deren Ankunft gehört und hoffte insgeheim, dass diese bei ihm einkehren würden. Er hatte eigens dafür sogar sein eigenes Zimmer leergeräumt, um es diesen Herren als Unterkunft anbieten zu können. Als die Karawane durch die Stadt zog, stand Urija stolz vor seinem Wirtshaus und machte mit ausschweifenden Gesten und großen Worten auf sich aufmerksam. Immer wieder wies er auf seine Eingangstür und betonte, dass sie nirgends solch einen Luxus wie bei ihm finden würden. Doch weder die prächtig gekleideten Fremden noch deren Begleiter reagierten auf des Angebot Urijas. So zog die herrlich aussehende Karawane an Urija vorüber, der ihr nur enttäuscht und verständnislos nachblickte.So etwas hatte er noch nie erlebt. Den ganzen Tag fragte sich Urija, wohin diese Karawane denn schlussendlich gezogen war.

In dieser Nacht konnte Urija nicht schlafen. Die ganze Zeit fragte er sich, weshalb diese Karawane so zielsicher zum Stadtrand gezogen war. Auch die vielen Menschen kamen ihm in den Sinn, die so froh gewirkt hatten, so anders, so verändert. Er musste an seinen Knecht Mati und an seine Magd Rachel denken, die seither auch ganz verändert waren. Was war hier geschehen, was hatte er vor lauter Geschäftigkeit nicht mitbekommen. Selbst die Römer, die er gefragt hatte, wussten von keinem besonderen Ereignis. Irgendwann, weit nach Mitternacht, fasste Urija einen Entschluss. Er lief zur Kammer von Mati und stieß dort die Türe auf, natürlich ohne anzuklopfen. Schließlich war dieser ja sein Knecht. Der MUSSTE ihm Antwort geben! Mati erschrak, als er so unsanft geweckt wurde, doch sobald er gesehen hatte, wer da in der Türe stand, fragte er einfach nur, was Urija denn wolle. Geradeheraus fragte dieser, was in den letzten Tagen los gewesen sei, er müsste dies jetzt unbedingt wissen. Mati setzte sich jetzt in seinem Bett auf und sagte nur: „Das will ich dir gerne erzählen!“.

Dann fragte ihn Mati, ob er sich an das junge Paar mit dem Esel erinnern könnte? Wo die junge Frau so hochschwanger gewesen sei? Urija musste etwas nachdenken, doch dann antwortete er: „Dieses abgerissene junge Paar? Ja, an die kann ich mich noch erinnern. Die hatten kaum Geld dabei!“ Ja, sagte Mati, diese Beiden seien am Ende am Rande der Stadt in einem Stall untergekommen. Und in ebendieser Nacht wäre auch das Kind geboren worden. Doch als das Kind gerade auf der Welt gewesen sei, hätten die Hirten auf den Weiden vor der Stadt ein ganz helles Licht gesehen. Daraufhin sogar einen Engel, der ihnen sagte, dass der Messias geboren wurde. Dieser Engel hat sie dann zu diesem Stall geführt und dort, mitten zwischen den Ochsen und anderem Viehzeug, hätte das kleine Kind dann gelegen. Die Begegnung mit diesem Kind hätte die Hirten so verändert, dass sie am anderen Morgen in die Stadt gegangen sind, und allen Menschen erzählt haben, was sie erlebt haben. Daraufhin sei er, Mati, zusammen mit Rahel auch in diesen Stall gegangen und auch ihnen wäre es so ergangen, wie den Hirten. Seither sei ihr Herz ganz leicht und froh geworden. Selbst die hohen Herren mit der Karawane wären alleine nur wegen dieses Kindes nach Betlehem gekommen.

Urija hörte dieser Geschichte mit wachsendem Staunen zu. Als Mati geendet hatte, stand er auf und lief nach draußen. Er ging die Straße hinunter und zielstrebig auf den Stadtrand zu. Mati hatte ihm die Lage des Stalles genau beschrieben und dieser Stall war jetzt sein Ziel. Er lief immer schneller, so groß war seine Neugierde, zu sehen, was sich dort in diesem Stall wohl befand. Es wurde schon langsam hell, als er endlich dort angekommen war. Von außen war nichts Besonderes zu sehen. Er öffnete die Stalltür, die nur angelehnt war und ging hinein. Drinnen war niemand zu sehen, lediglich die angebundenen Ochsen drehten ihre Köpfe langsam nach ihm um. Urija schaute sich jetzt noch einmal ganz genau um. Auf dem Boden lag eine Menge Stroh, das regelrecht zusammengetrampelt war. In einer Futterkrippe konnte man sehen, dass dort etwas gelegen haben musste. Ansonsten gab es nur ihn… und die Tiere.

Enttäuscht verließ Urija den Stall wieder. Er ging langsam die Straßen zurück zu seinem Wirtshaus. Mit Bestürzung wurde ihm klar, was passiert wäre, hätte er dieses junge Paar nicht abgewiesen. Die ganzen Leute wären in SEIN Wirtshaus gegangen, selbst die hohen Herren aus dem Morgenland wären zu SEINEM Wirtshaus gekommen. Er hätte DAS Geschäft seins Lebens machen können, der Ruhm und der Glanz auf seinem Wirtshaus und damit auf ihm hätten ihn zu einem berühmten und beliebten Mann gemacht. Er, der bisher immer so stolz darauf gewesen war, dass er stets die besten Entscheidungen traf und dessen Geschäfte stets den größten Gewinn abgeworfen haben, hatte er dieses Mal vielleicht falsch entschieden?

Nachwort:

Hier könnte Urijas Geschichte zu Ende sein.
Aber diese Weihnachtsgeschichte ist interaktiv.
An den untenstehenden Bibelstellen sind drei mögliche Varianten zu finden:

Matthäus 13, 44-46

oder

Lukas 18, 18-27

oder

Lukas 12, 16-21

Wir wünschen viel Freude beim Nachlesen und Überlegen, welche Entscheidung Urija wohl getroffen hat.

 

Mit den besten Wünschen für ein
frohes und gesegnetes Weihnachtsfest,

Jürgen und Elisabeth Katzenmeier
Essigmanufaktur zur Freiheit

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